Folgender Artikel erschien nach dem CSD 2010 im Trierischen Volksfreund:

CSD - viel mehr als rosa Karneval

Zum 8. Mal findet in Trier der CSD statt und manch einer/eine mag sich fragen warum eigentlich? Warum Opfern brutaler Polizeirazzien gegen Homo- und Transsexuelle im Jahre 1968 im fernen Amerika gedenken? Warum soll Trier sich einreihen in eine weltweite Bewegung gegen Homophobie und für Toleranz und Gleichberechtigung? Ist denn nicht schon alles erreicht? Haben wir nicht einen schwulen Außenminister, eine lesbische Moderatorin, ach und all die anderen Homosexuellen in den Medien! Heiraten dürfen Lesben und Schwule doch auch. Und der rosa Karneval ist klasse, gäbe es nur mehr Karten. Warum also immer noch mehr Aufmerksamkeit? Jetzt ist es doch endlich mal gut - es ist doch alles gut, oder nicht?
Nun Vieles hat sich bewegt, und ja auch Vieles zum Guten für Lesben und Schwule. Und warum, weil es Menschen gab, die familiäre, religiöse, gesellschaftliche und berufliche Ausgrenzung und Diskriminierung in Kauf nahmen und mutig für Toleranz und Gleichberechtigung kämpften, im Kleinen wie im Großen. Viel ist erreicht, aber nein, es ist nicht alles gut. Die Benachteiling Homosexueller gegenüber Heterosexueller findet nach wie vor schon in der Gesetzgebung ihre Berechtigung. Denn Schwule und Lesben dürfen eben nicht heiraten. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist der Ehe heterosexueller Menschen nicht gleichgestellt. Auch wenn die Landesregierung mittlerweile alle landesweiten Bestimmung diesbezüglich angeglichen hat, so gibt es dennoch gravierende Unterschiede z.B. im Steuer- und Adoptionsrecht. Schließlich gilt es ja Ehe und Familie zu schützen, so wird argumentiert. Ich werde jedoch nie verstehen, wie ich durch die Heirat meiner Liebsten die Ehe meines Kollegen oder gar die Familie meiner Nachbarn gefährden sollte? Und was ist mit den Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen, was mit den homosexuellen Paaren, die auch vor dem Gesetz für einander einstehen wollen, gilt es die nicht auch zu schützen? Offensichtlich nicht und so wundert es auch nicht, dass die Bemühungen zahlreicher Initiativen, Einzelpersonen und Politiker/innen (u.a. auch unseres OB's Klaus jensen) den Schutz homosexueller Menschen im Grundgesetz Artikel 3 zu verankern bisher (noch) erfolglos blieben.
Aber immerhin, seit 2006 haben wir ja das Allgemeine-Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG)! Tatsächlich, es hilft gegen Diskriminierung vorzugehen und vielleicht auch dessen vorzubeugen. Doch was nützt es z.B. einer lesbischen Erzieherin, einem schwulen Krankenpfleger oder einer Sozialpädagogin wie mir im Bistum Trier, wenn mehrheitlich Arbeitsplätze im sozialen und gesundheitlichen Bereich in katholischer Hand sind, und diese sich arbeitsrechtlich einen Teufel um Gesetze scheren (dürfen). Dies bedeutet für so manche Berufsgruppe eine enorme berufliche und damit letztlich auch gesellschaftliche und finanzielle Einschränkung. Es entspricht nicht gerade meinem Demokratieverständnis, dass aus Steuergeldern Zuschüsse und Förderungen an Arbeitgeber gezahlt werden, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung per se nicht einstellen, bzw. kündigen (dürfen) oder aber dazu nötigen, ihre sexuelle Identität zu verbergen und ihre Lebenspartner/innen zu verleugnen. Wie das mit der christlichen Lehre einhergeht, kann ich - nebenbei bemerkt - nicht nachvollziehen.
Doch auch in anderen Lebensbereichen herrscht nicht gerade eine Atmosphäre von Offenheit und Toleranz. Vorallem in geschlossenen Systemen wie bspw. Familie, Schule, Polizei oder auch beim Militär fällt es Lesben und Schwulen oft schwer zur eigenen Homosexualität zu stehen. Und das aus guten Grund: denn wenn in der Schule "schwul" als das häufigste Schimpfwort benutzt wird, die Karriere plötzlich zeitgleich mit dem Coming-out stagniert, und die Aufregung und Freude über die erste Verliebtheit bei Eltern eher Panik, Ablehnung und Verbote auslöst, dann scheint es einfacher zu sein zu schweigen. Zwar gehört mittlerweile die lesbische Bekannte, der schwule Kollege dazu, man hat schließlich kein Problem damit (zu haben). Doch sich wirklich mit dem Thema beschäftigen möchte man sich nicht. Immer wieder höre ich: "Ist doch egal was jemand im Bett macht, ist doch Privatsache, muss man ja auch nicht so vor sich hertragen". Als Toleranz formuliert, ist es doch oft auch die Aufforderung einen nicht weiter zu irritieren, zu langweilen, zu belästigen. Aber Homosexualität ist eben mehr als eine Sexualpraktik, es ist Liebes- und Lebensform zugleich. Es ist eine Identität, die zu erlangen und mit der Frieden zu schließen für Viele ein schwerer Weg war, und umso mehr die Persönlichkeit ausmacht.
Ich kann mehr damit anfangen, wenn jemand sagt dass er/sie ein Problem "damit" hat, das hatte ich schließlich auch. Probleme kann man lösen. Mit Mauern aus Schweigen und Ignoranz ist das schon schwieriger. So bleibt mir bei so manchem Schwulenwitz das Lachen im Halse stecken. Und auch wenn Bulli Herbig die Klischees über Schwule wirklich komisch auf den Punkt bringt, frage ich mich, ob er dies auch mit so einer Leichtigkeit tun würde, hätte er eine schwule Biographie oder etwa einen schwulen Sohn. Es sind eben die Klischees die wir erfüllen und gegen die wir gleichermaßen immer wieder ankämpfen. Denn natürlich tragen nicht alle Schwulen Fummel und nicht alle Lesben haben kurze Haare. Schließlich haben auch nicht alle Heteras lange Haare und nicht alle Schotten sind schwul.
Und so ist der Trierer CSD auch nicht eine einzige Travestieshow, eine Parade von Nackedeis und Mannsweibern. Nein, der Trierer CSD, das sind Tage des Gedenkens, des Nachdenkens, der Aufklärung und Information, der Begegnung und nicht zuletzt der (Lebens-)Freude. Getragen von zahlreichen Ehrenamtlichen, Unterstützer/innen, Sponsor/innen und Menschen mit Mut und Engagement. Warum also einen Trierer CSD? Weil Vielfalt Demokratie ist, weil Gedenken an geschehenes Unrrecht Wiederholung vermeiden hilft, weil es all denen Mut macht, die sich mit dem eigenen Coming-out, dem des Sohnes, der Tochter oder der Mutter, des Vaters schwer tun. Und weil es einfach Spaß macht! Macht doch mit, kommen wir ins Gespräch, feiert mit uns, freuen wir uns gemeinsam über Erreichtes und zeigen, dass Trier eine weltoffene, tolerante und vielfältige Stadt sein kann und das sicherlich über den CSD hinaus.

Yvonne Engel
Vorstandsmitglied SCHMIT-Z e.V. (schwul-lesbisches Zentrum Trier) Stellv. Sprecherin QueerNet-RLP (schwul-lesbisches Netzwerk RLP)

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