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HIV und AIDS in Trier

Ein Interview mit Dr. Barbara Detering-Hübner, Ärztin beim Gesundheitsamt

Hallo Bärbel, vielen Dank, dass du nach sechs Stunden Präventionsarbeit am Max-Planck-Gymnasium noch Zeit und Kraft hast, mit mir dieses Gespräch zu führen. Am 1. Dezember ist wie jedes Jahr Welt-AIDS-Tag und da wollte ich mit dir darüber reden, wodurch sich die Situation in Trier bezüglich AIDS und HIV auszeichnet.
Vertreter des regionales AIDS-Beirates am 30. November 2002 auf dem Trierer Hauptmarkt
Red Ribbon, Zeichen der Solidarität mit HIV-Positiven in aller WeltIch komme gern, auch wenn ich sagen muss, dass so ein Vormittag in einer Schule doch eine sehr anstrengende Sache ist. Der regionale AIDS-Beirat hatte beschlossen, sich noch einmal verstärkt den Schulen der Region zu widmen. Das Echo war erfreulich groß. Zwar gibt es immer auch Schulen, die die Notwendigkeit und Dringlichkeit von AIDS-Prävention offenbar konsequent ignorieren, aber viele Schulen haben uns, also den regionalen AIDS-Beirat Trier, eingeladen. Diese Präventionsveranstaltungen führe ich gerne durch, aber ebenso lieb ist mir die Arbeit im Gesundheitsamt, wo die Leute zu mir kommen, um einen AIDS-Test zu machen. Da entwickeln sich doch sehr häufig intensive Beratungsgespräche.
Kommt dies denn häufig vor?
Sehr regelmäßig. Mindestens zwei, drei Mal die Woche. Ich versuche, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, Interesse zu bekunden, ohne die Leute aushorchen zu wollen. Und da entwickelt sich meistens sehr schnell ein gutes Gespräch.
Man hört immer wieder davon, dass Versicherungen oder Arbeitgeber die Menschen zu einem AIDS-Test auffordern?
Das ist gar nicht mehr so oft, das war schon mal viel häufiger. In der Regel kommen die Leute aus einem konkreten persönlichen Anlass: Sie haben sich vorgenommen, nur mit Kondom mit einem anderen Menschen zu schlafen, es kommt dann doch anders und hinterher kommt die Angst, man könnte sich angesteckt haben. Das gilt übrigens gleich für homo oder hetero. Oder es sind Paare, die sich vornehmen, sexuelle Treue zu praktizieren und, bevor sie ungeschützt miteinander schlafen, machen sie beide den Test. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand mit den Symptomen einer akuten HIV-Infektion zur Beratung kam. Der Test bringt dann noch nichts, da das Imunsystem noch keine Antikörper bildet, bzw. gerade dabei ist, dies zu tun. So jemand geht dann zur HIV-Ambulanz beim Brüderkrankenhaus oder zu Frau Dr. Grundheber, wo er dann gleich mit Kombinationstherapie behandelt wird. Es kann in solchen Fällen nicht völlig verhindert werden, dass sich Antikörper bildeten, aber gegenüber solchen, die jahrelang die Infektion mit sich herumtragen, hat er einen Riesenvorteil.
Das bringt mich auf die Frage: Was passiert eigentlich, wenn einer ein positives Testergebnis bekommt?
Ich mache die Erfahrung, dass nicht wenige eine sehr sichere Vorahnung haben, dass sie Träger des Virus sind.Dennoch sind die meisten dann erst einmal gar nicht in der Lage, Informationen und andere sachlichen Dinge aufzunehmen. Ich erkundig mich danach, ob sie jemanden haben, der sie auffängt und biete ihnen meine weitergehende Beratung an. Zur Behandung gehen sie dann entweder zur HIV-Ambulanz des Brüderkrankenhauses oder in die Praxis der Frau Dr. Grundheber in der Friedrich-Wilhelm-Straße. Diese ist Hämatoonkologin. Da wird dann nochmal eine Blutabnahme gemacht und untersucht, in welchem Zustand sich das Immunssystem befindet. In der Anamnese wird versucht zu klären, wann der Betreffende ich angesteckt hat. Das kann sehr unterschiedlich sein.
Ich habe im Internet eine Deutschlandkarte gefunden, auf der für die Zeit von 1985 bis 1997 die Orte mit einem Punkt versehen werden, an denen sich eine Neuinfektion mit dem HIV ereignet. Da ist in der Trierer Region im Vergleich mit den den Zentren recht wenig los.
Trier gehört zu den sogenannten ländliche Gebieten. Seit Beginn der HIV-Infektionen in Deutschland haben sich vielleicht 300 bis 400 Menschen in unserer Region mit diesem Virus angesteckt, und wenn man das umrechnet auf die Gesamtbevölkerung der Region Trier, dann ist das so wie auch sonst in Deutschland in ländlichen Regionen. Da sind wir total im Durchschnitt.
Wieviele sind in der Region Trier an AIDS gestorben?
Das ist sehr schwer zu sagen, weil die Statistiken oft nicht leicht zu interpretieren sind. Ich schätze etwa 50 bis 100 Menschen.
Manchmal hört man, dass Trier und Bitburg besonders viele Drogen vorhanden seien. In Bitburg soll das seit dem Weggang der Amerikaner jetzt besser geworden sein. Spiegelt sich das in den Zahlen der Infektionswege wider?
Auch für Trier gilt, dass die überwiegende Zahl der Infizierten homosexuell sind. Dennoch muss man sagen, das die Drogenszene in Trier größer ist, als sich das die allgemeine Bevölkerung vorstellt. Das hat nicht nur mit Bitburg und den Amerikanern zu tun, sondern auch damit, dass der Weg nach Holland nicht weit ist. HIV-Infektionen über den Rauschgiftkonsum gibt es im Kreis Bitburg-Prüm von daher genauso wie in Trier.
Als du vor 15 Jahren deine Stelle beim Gesundheitsamt antratst, hast du keine leichte Aufgabe übernommen. Gibt es Dinge, die dich besonders bedrücken?
Mir blutet wirklich das Herz, wenn ich mitbekomme, wenn etwas, was eigentlich so schön sein sollte und für manchen wohl auch mal schön gewesen ist, jetzt so stark beladen ist. Beladen vor allem mit einem Schuldmechnismus, von dem viele sich nicht befreien können: Ich habe etwas falsch gemacht und werde jetzt bestraft von oben. Ich habe früher oft gedacht, wir wären in der Lage, Sexualität frei zu praktizieren. Leider ist das sehr oft nicht der Fall. Viele versuchen jetzt, allen Zwängen dadurch zu entkommen, dass sie den Kick des Risikos suchen. Bareback nennt man das wohl. Aber das kann ja doch wohl auch nicht die Lösung sein. Aber auch die Besonnenen geraten offenbar immer wieder in Situationen, in denen ihnen ihre Vorsätze aus der Hand gleiten.
Stimmst du mit mir darin überein, wenn ich sage: In Trier wurden die Aufgaben rund um die AIDS-Prävention und die Hilfe für HIV-Positive vergleichsweise früh und bis heute vorbildlich bewältigt?
Ich war von Anfang an beeindruckt, was es in Trier schon gab, als anderswo noch ein ganz anderer Wind wehte. Schwulengruppen wie die HuK beispielsweise. Oder auch die AIDS-Hilfe wurde fast zeitgleich mit den Organisationen in den großen Metropolen gegründet. Größenmäßig vergleichbare Städt waren da erst sehr viel später dran. Bis heute arbeitet die Trierer AIDS-Hilfe, deren Mitglied wir ja beide sind, sehr gut. Sie hatte immer das Glück, für die Arbeit sehr geeignete Menschen zur Verfügung zu haben.
Wie beurteilst du die Rolle, die das SCHMIT-Z im Zusammenhang mit AIDS-Aufklärung und -Prävention spielt?
Das habe ich ja so richtig miterlebt, wie das SCHMIT-Z aufgebaut wurde. Ich denke, dass das SCHMIT-Z immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Leider wird es nur von einer bestimmten Gruppe angenommen. Es gehen nicht alle dorthin - wie immer in solchen Fällen. Ich weise Leute, die ich berate, oft hin, dass sie doch im SCHMIT-Z mal vorbei schauen könnten und so die Gelegenheit hätten, andere Menschen kennenzulernen. Manche tun das, viele aber auch nicht. Die Zusammenarbeit mit dem regionalen AIDS-Beirat ist immer ganz ausgezeichnet gewesen. Alex Rollinger ist immer da, wenn man ihn um Mitarbeit bittet. Im Beirat ist er einer der Leute, auf die man sich wirklich verlassen kann. Auch sorgt er dafür, das immer das neueste Infomaterial im SCHMIT-Z ausliegt.
Gibt es noch etwas, was du gern noch loswerden möchtest, etwas, was du hier zum Interview mitgebracht hast, wonach ich aber nicht gefragt habe?
Ich habe mir immer eigentlich gewünscht, dass die Solidarität unter Gruppen von homosexuellen Männern noch etwas größer wäre. Am Anfang meiner Arbeit habe ich immer gedacht: Schwule Männer müssten doch untereinander immer solidarisch sein. Mir ist unverständlich, dass es da gegenseitige Ausgrenzung gibt. Und: Es müsste eigentlich möglich sein, dass ein Schwuler, der HIV-positiv ist, sich traut, dies anderen schwulen Männern zu erzählen. Aber ich weiß nicht, wie ich als Ärztin vom Gesundheitsamt dies noch unterstützen könnte. Manchmal denke ich, ich sollte all die Leute, die da im Laufe der Monate und Jahre zu mir ins Gesundheitsamt kommen, mal zusammenbringen. Aber mehr als die Voraussetzungen schaffen kann eben auch das SCHMIT-Z nicht. Bezüglich der der Zusammenarbeit der einzelnen Stellen in Trier habe ich keinen Wunsch offen, außer dass ich mir wünsche, dass es so bleibt, wie es ist.
Vielen Dank für das persönliche Gespräch! (Die Fragen stellte Georg Weege.)
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