Anfang 2009 wurde im SCHMIT-Z in Anwesenheit vieler Gäste und Gründungsmitglieder sowie des OB Klaus Jensen gefeiert:

Zwanzig Jahre Rosa Telefon
Fünfzehn Jahre schwul-lesbisches Zentrum

Wir geben im Folgenden den Wortlaut der Ansprache des psychologischen Psychotherapeuten Jürgen Stolz zum zwanzigjährigen Bestehens des Rosa Telefons wieder.

Jürgen

Liebe Gäste,

Zu meiner Person: mittlerweile bin ich 43 Jahre alt. Vor gut 20 Jahren war ich als Student der Psychologie von Stuttgart nach Trier gekommen und war 1988 von Anfang an beim Rosa Telefon und als Schmit-Z-Mitglied dabei. Ich gehöre also zur Gründergeneration und fühle mich heute durchaus geehrt, bei diesem Anlaß die Festrede halten zu dürfen. In Trier blieb ich dann bis ins Jahr 2000; seitdem betreibe ich in Stuttgart eine psychotherapeutische Praxis und arbeite dort vorwiegend mit schwulen Männern.

Es ist höchst ungewöhnlich, dass ehrenamtliche Initiativen 20 Jahre überdauern. Viele gute oder zumindest gutgemeinte Projekte schaffen den Start, viele auch die euphorische Anfangszeit – aber dann schlafen sie oft ganz ruhig und unauffällig ein. Daß ein Projekt über viele Jahre funktioniert und das sogar auch noch mit einer unglaublichen Konstanz und Zuverlässigkeit, ist dagegen ungewöhnlich. Das Rosa Telefon hat dies geschafft. Auch ein mehrfacher Generationswechsel im Mitarbeiterkreis hat das ehrenamtliche Beratungsangebot nicht stoppen können.
Jürgen 1988, als das Rosa Telefon aus der Taufe gehoben wurde, war die Welt für Schwule noch eine andere. In Trier gab es nur einige wenige kommerzielle Kneipen für Schwule. Dazu gab es seit einiger Zeit die AIDS-Hilfe, die in beachtlichem Maße von schwulen Männern getragen wurde. Es gab den Paragrafen 175 noch immer und der Trierische Volksfreund wollte mit dem Thema Homosexualität in seinem Redaktionsteil lieber nichts zu tun haben. Internet gab es noch nicht und niemand hatte eine Ahnung dass es bald eine solche Entwicklung geben wird.
1988 waren die Gründer des RT 10 Schwule, die sich aus der einzigen Schwulengruppe vor Ort, nämlich die HuK „Homosexuelle und Kirche“, kannten und ein Beratungsangebot von Schwulen für Schwule gründen wollten. Es sollte ganz bewusst ein niedrigschwelliges Angebot sein, also Leute erreichen, die bislang wenig schwules Selbstbewusstsein entwickelt haben und auch kein Zugang zu den bestehenden schwulen Strukuren hatten. Also für Anrufer, die weit am Anfang ihrer Entwicklung standen und Zuspruch und Unterstützung für ihr Coming-Out brauchten. Zudem wollte man auch ein Informationsangebot sein für Anrufer die über die Coming-Out-Phase hinweg sind aber neu in Trier waren und noch kein Wissen über die regionalen Strukturen hatten.
Die Niederschwelligkeit sollte durch ein Telefonangebot ermöglicht werden, das vom Anrufer auch anonym genutzt werden konnte. Zudem sollten keine Kosten entstehen außer den regulären Telefongebühren. Weiterer Eckpunkt war, dass es keine persönlichen Kontakte zwischen Anrufer und Berater geben sollte, so konnte ein Anrufer zwar jede Woche erneut anrufen, ein persönliches Face-to-Face-Beratungsangebot gab es aber nicht. Erst Jahre später wurde über das Schmit-Z solch ein persönliches Beratungsangebot geschaffen.
Die Rosa-Telefon-Gründer qualifizierten sich in ihrer Gesprächskompetenz von Anfang an. Die allererste Fortbildung geschah durch den damaligen ESG-Studentenpfarrer Johannes Metzdorf –Schmidhüsen und seiner Frau, die durch ihre Ermutigung durchaus Starthilfe gegeben haben. Der Anspruch, sich in der Beratungskompetenz zu qualifizieren und fortzubilden ist bis heute geblieben und immer wieder durch Beiträge aus den eigenen Reihen, wie auch durch externe Kräfte eingelöst worden.
Schwierigkeiten ergaben sich in ganz anderer Hinsicht: was nutzt das schönste Rosa Telefon, wenn keiner von seiner Existenz weiß? Die Öffentlichkeitsarbeit erwies sich als ernsthaftes Problem, zumal auch keine finanziellen Mittel außer Eigenspenden zur Verfügung standen. Erste Aktion damals waren kleine drei-eckige Kleber mit der Aufschrift: „Rosa Telefon - Fragen zur Homosexualität“, die wir großzügig in Stadt und Kreis verteilt haben. Das war Öffentlichkeitsarbeit, wie sie basaler nicht sein konnte. Viele Kleber wurden wegen ihres Inhalts wohl gezielt wieder abgekratzt und hingen deswegen nicht sehr lange – trotzdem wir erreichten sehr wohl so manch einen Adressaten.
Mit der Redaktion des Trierischen Volksfreundes nahmen wir Kontakt auf – und scheiterten. Ein Redakteur war zwar sehr interessiert und verfasste einen wohlmeinenden Artikel. Allein – er erschien nicht, weil sich die Redaktionsspitze bewusst gegen eine Berichterstattung zu diesem Thema entschied. Der TV entschied, uns todzuschweigen. Was er aber zuließ, waren kleine 1-spaltige kostenpflichtige Anzeigen, mit denen wir auf unser Beratungsangebot hinwiesen.
Jürgen Nicht mal soviel Toleranz brachte der Trierer Wochenspiegel auf. Unsere Versuche, auch da von Zeit zu Zeit eine solche kleine Anzeige aufzugeben, wurden vom Trierer Büroleiter abgelehnt. So etwas wollte er nicht in seinem Blatt sehen. Da wurde zwar für alles Mögliche, durchaus auch Zwielichtige geworben – aber für das Rosa Telefon war das Blatt zu schade. Wie Ausgrenzung aussieht, konnten wir da konkret erleben. Auch Gespräche mit der Verlagsleitung des Wochenspiegels, nämlich dem Weiss-Verlag in Monschau, brachten keinen Fortschritt.
Jürgen Das allerdings hat uns dann auch so richtig in Rage gebracht und unsere Fantasie beflügelt. Wir erfanden die „Rosa Zitrone“, eine Auszeichnung für besonders schwulenfeindliches Verhalten. Zur Verleihung sind wir an einem schönen Vormittag in das Trierer Büro des Wochenspiegels gestiefelt und direkt auf den Büroleiter zugegangen. Der war nachhaltig irritiert und baff. Ihm wurde eine rosa-angepinselte Zitrone in die Hand gedrückt und vor seinen versammelten Mitarbeitern die Laudatio gehalten. Für die gute Stimmung haben wir gleich auch noch Claqueure mitgebracht, die an den besten Stellen in Jubel und Beifall ausbrachen. Nach fünf Minuten waren wir wieder weg und im Büro dachte man das sei es nun gewesen. So war’s aber nicht.
Jürgen Über den Vorgang und mit einigen schönen Fotos von der Aktion haben wir in Windeseile ein Flugblatt drucken lassen und auf dem Hauptmarkt und auf dem Uni-Campus verteilt. Damit schlugen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: erstens machten wir den Skandal öffentlich, zweitens wurde auch gleich noch das Rosa Telefon publik gemacht. Der Geschäftsführung von Weiss-Druck ließen wir ständig per Fax (Fax war damals wohlgemerkt das modernste Kommunikationsmittel) zukommen, was wir denn nun wieder taten und erweiterten von Tag zu Tag die Aktion. Mal informierten wir die anderen regionalen Büros des Wochenspiegels von unserer Aktion, mal riefen wir selbige an und erbaten doch ein druckfähiges Statement für unsere weitere Öffentlichkeitsarbeit (und wir waren sicher, dass all unser nicht kalkulierbares Vorgehen brühwarm der Verlagsspitze mitgeteilt wurde). Dann starteten wir eine Aktion, dass man doch am Briefkasten vermerken solle, dass der Wochenspiegel nicht mehr erwünscht sei und brachten Hunderte Leute dazu, dies den Wochenspiegel auch wissen zu lassen.
Jürgen Unser größter Erfolg war freilich, dass Radio RPR und swf3 (damals gab es noch keinen swr) die Geschichte aufgriffen und darüber berichteten. Für die damalige Zeit war das sehr bemerkenswert, hat uns richtig gut gefallen und wir schickten dem Weiss-Verlag wieder ein Fax und schrieben hinein, dass wir nun als nächstes an die bundesweit erscheinenden Tageszeitungen gehen würden, um die Geschichte medial weiter fortzuführen.

So weit kam es aber nicht, denn zwischenzeitlich wurde es dem Verlag zu bunt und man schickte einen Friedensbotschafter aus dem fernen Monschau nach Trier, der vom Seniorchef persönlich den Auftrag hatte, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Und die sah so aus: selbstverständlich würde man ab sofort unsere Anzeigen annehmen und darüber hinaus werde man unentgeltlich Woche für Woche unser Angebot in der Rubrik „Beratungsdienste in Trier“ aufführen. Wir waren sehr einverstanden und begruben das Kriegsbeil.

Jürgen Viele Anzeigen haben wir trotzdem weder im TV noch im Wochenspiegel schalten können, denn wir hatten schlicht nicht das Geld. Also machten wir uns auf die Suche nach Geld. Lieber Herr Oberbürgermeister, was meinen Sie wo wir hingegangen? Sie ahnen es, wir haben Kontakt zu den Stadtratsfraktionen aufgenommen und sind im Rathaus vorstellig geworden. Wir landeten beim Bürgermeister Georg Bernarding. Der ließ uns Kaffee servieren und borgte uns sein Ohr. Durchaus fand er unsere Einrichtung unterstützenswert und hat uns dann wiederholt kurz vor Jahresschluß aus seiner Amtskasse Geld zukommen lassen, ca 500 DMark pro Jahr, die wir dann über die Monate verteilt in Anzeigen investiert haben, das waren etwa 5 pro Jahr. Immerhin. Später haben wir es auch noch geschafft vom Land Zuschüsse zu erhalten.
Ich habe vorhin nachgefragt, leider gibt es keinen kleinen Zuschuß mehr von der Stadt. Lieber Herr Oberbürgermeister, vielleicht finden Sie ja wieder ein paar Euro fürs Rosa Telefon. Es lohnt sich hier zu investieren, denn in zwanzig Jahren werden dann nette Geschichten über S i e hier erzählt.
Ich möchte einen allgemeineren Blick auf die psycho-soziale Versorgungslandschaft für Schwule werfen.
  • Ein Rosa Telefon wurde nicht nur in Trier gegründet; in vielen größeren Städten war das in den späten 80ig-er Jahre der Fall. In Rheinland-Pfalz gab es auch in Koblenz und Mainz Rosa Telefone. Beide gibt es nicht mehr, die Initiativen sind dort erlahmt.
  • Nur wenig später haben sich in mehreren Großstädten die Schwulen Überfalltelefone gegründet als Ansprechstelle für Schwule, die Anti-Schwule-Gewalt erleiden mussten und Unterstützung suchen. Hierdurch wollte man erreichen, dass Schwule keine leichten Opfer mehr sind, die aus Scham sowieso nicht zur Polizei gehen und die Verbrechen anzeigen.
  • Beratung wird oftmals auch durch die Schwulenreferate an den Universitäten angeboten, die strukturell bedingt lokal begrenzt arbeiten
  • und natürlich oftmals auch über die AIDS-Hilfen, freilich ist deren inhaltlicher Schwerpunkt anders gelagert
All die genannten Beratungsmöglichkeiten sind fast immer ehrenamtlich getragen und werden zumeist von qualifizierten Laien durchgeführt. Darüber hinaus haben sich in den letzten 10-15 Jahren zunehmend aber auch professionelle Beratungs- und Therapieangebote entwickelt. Hier ist der VLSP zu nennen, der Verband lesbisch-schwuler Psychologinnen und Psychologen. So findet sich mittlerweile ein grobmaschiges bundesweites Netz von schwulen + lesbischen Psychotherapeuten, die auch häufig von schwulen + lesbischen Klienten in Anspruch genommen werden. Hierbei ist der Therapieanlaß nur zuweilen primär schwuler Art (wie z.B. ein verschlepptes oder verkompliziertes Coming-out), es können auch ganz „herkömmliche“ Therapiegründe sein wie z.B. Panikattacken wegen Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder Depressionen nach Verlust einer nahestehenden Person.
Aber generell gilt: wir Schwule verhalten uns hier ein bisschen wie eine ethnische Minderheit, die gerne ihresgleichen sucht – auch bei der Arzt- oder Therapeutenwahl. Gründe liegen zum einen in der Annahme, dass man so garantiert auf einen schwulenfreundlichen Behandler trifft (und das ist ansonsten auch heute noch nicht immer gegeben) und zum anderen, dass viele Dinge aus dem schwulen Leben nicht ausführlich erklärt werden müssen und der Therapeut quasi erst mal vom Klienten aufgeklärt werden muß.
Das hiesige Rosa Telefon ist mittlerweile fest in das Schmit-Z integriert – womit wir uns diesem Juwel zuwenden können. Das Schmit-Z war viele Jahre das einzige Schwulenzentrum in Rheinland-Pfalz und hat eine fast unglaubliche Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Einstmals eher aus der Not an schwulen Strukturen entstanden, hat es sich zu einem sozio-kulturellen Zentrum entwickelt, das sich in der ganzen Stadt Anerkennung verschafft hat. Schaut man sich die Schmit-Z-Family an, so haben deren Theater-Produktionen und Rosa-Karneval-Sitzungen schon lange die kleine Nische des schwulen Publikums verlassen und sind längst in breiten Bevölkerungskreisen angekommen. Auf ihre Art schafft es das Schmitz durch die Schmit-Z-Familiy schwulen Humor und Themen zu Menschen zu tragen, die sich sonst nie mit schwulen Belangen beschäftigt hätten. Das ist oftmals mehr wert, als hochkluge theoretische Diskussionen, die von Außenstehenden nicht wahrgenommen werden. Übrigens konnte ich vor zwei Jahren eine Rosa Sitzung aus Trier per Internetübertragung des Offenen Kanals live auch in Stuttgart anschauen, was einfach eine nette Sache war.
Für mich persönlich ist aber eine ganz andere Entwicklung fast noch beeindruckender: das ist das gute Miteinander, das sich im Schmitz zwischen Schwulen und Lesben entwickelt hat. Und ich kann auch sagen weshalb: als ich damals noch in der Trierer Schwulenszene aktiv war, hat eine Zusammenarbeit nie geklappt. All unsere Versuche sind an geradezu ideologischen Auseinandersetzungen gescheitert und irgendwann gänzlich aufgegeben worden. Auch wenn es eigentlich so naheliegend aussah, dass Schwule und Lesben gemeinsam in einem Boot sitzen und eher auf Synergieeffekte setzen sollten – ein Miteinander hat dennoch nicht funktioniert. Doch diese fundamentalistischen Gräben sind überwunden – wobei auch hier die Schmitz-Family ein große Rolle gespielt haben - und so das Schmitz ist nun schon seit einigen Jahren kein Schwulenzentrum mehr, sondern ein Schwulen- und Lesbenzentrum. Auch zeigt sich dies in der Zusammensetzung des Vorstands, wo eben auch die Lesben seit Jahren vertreten sind.
Ungewöhnlich ist auch die personelle Kontinuität, die in Person des Vorstandes Georg Weege und des Geschäftführers Alex Rollinger sichtbar wird. Beide sind vom ersten Tag an in ihren Funktionen tätig. Ich erinnere mich noch daran, dass Alex aus eigenem Geld die Büroeinrichtung gekauft hat, um überhaupt eine geeignete Grundlage für seine Arbeit zu haben. Und ich will auch nicht wissen, wieviele Überstunden angefallen sind, die er nie bezahlt bekommen wird. Ohne sein Engagement wäre das Schmitz nicht da, wo es nun ist. Im Schmitz findet sich unendlich viel von seiner Kraft und seiner Kreativität.
Das Schmit-Z hat eine sehr beeindruckende Integrationskraft entwickelt, die vor 15 Jahren so nicht abzusehen war. Das Schmitz ist Treffpunkt vieler schwul-lesbischer Gruppen wie z.B. der HuK, dem offenen Jugendtreff Route 66, der Transgendergruppe, der Lesbengruppe ElleDorado oder dem Schwufo. Das Schmitz bietet mit dem Rosa Telefon und der Beratergruppe telefonische und persönliche Beratung an. Das Schmitz hat es immer wieder geschafft, sich optisch zu wandeln und so für den Besucher immer wieder attraktive Räumlichkeiten zu bieten. Dem Schmitz ist es immer wieder gelungen, große Veranstaltungen wie z.B. das jährliche Sommerfest auf die Beine zu stellen. Das Schmitz hat es geschafft, das Leben von vielen Schwulen und Lesben zu bereichern, es bunter und ein wenig glücklicher zu machen.
Ich wünsche dem Schmitz auch für die nächsten 15 Jahre eine so große Entwicklung wie bisher. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
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